Die untergründige Bedrohung

20Juni2017

Image: Threat, © Mika Hiironniemi via CC BY-NC-ND 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Wenn ich Geld abheben will: Ein Mann mit Waffe vor dem ATM. Wenn ich in den Supermarkt will: Untersuchung mit einem Metalldetektor und Taschenkontrolle (nur um dann die Tasche sowieso abgeben zu müssen). Wenn mensch auf die Aussichtsplattform des Konferenzzentrums will: Eine erste Taschenkontrolle und ein Gang durch den Metalldetektor am Eingang, dann zwei weitere Soldaten mit Waffen an der Tür und ein weiterer Metalldetektor und eine Taschenkontrolle dahinter.

Ich bin mir nicht ganz sicher, wovor genau die Leute solche Angst haben.

Fürchten sie sich vor Terrorismus? Sicher, es gab in der Vergangenheit einige Anschläge und es wird befürchtet, dass über die Grenze zu Somalia Al-Shabab-Terroristen ins Land kommen. Aber ich bezweifle, dass ein am Rande Nairobis gelegener Vorort zu deren Top-Anschlagszielen gehört.

Überfälle? Schon eher wahrscheinlich. Zumindest wird man als Ausländer_in in Nairobi ausdrücklich vor der hohen Kriminalität gewarnt. Auf der einen Seite ist Nairobi das wirtschaftliche Zentrum Kenias und hat in den vergangenen Jahren hohe Wachstumsraten und eine zunehmende Mittelschicht hervorgebracht. Gleichzeitig gibt es auch ausgedehnte Slums und viele mittellose Zugezogene vom Land, die hoffen, ihr Glück zu machen. Trotz einer offiziellen Arbeitslosenrate von 11 % (21,45 % bei männlichen Jugendlichen)1 und ohne große Aussichten; und auf staatliche Unterstützung können sie auch nicht zählen. Klar, die inoffizielle Rate dürfte nochmal höher liegen, gleichzeitig verdienen sich viele im informellen Sektor. Das unter diesen Umständen die Kriminalität steigt, würde mich zumindest nicht wundern.

Trotz allem fühle ich mich nicht sicherer, wenn ich von Leuten in Uniform mit Waffen umgeben bin. Es macht mir eher Angst. Davor, dass eines Tages einer einen Unfall baut und, mehr noch, vor dem, was diese Maßnahmen erst notwendig macht.

Vielleicht bin ich es nur nicht gewöhnt. In Berlin steht im Supermarkt allenfalls abends nach acht ein Sicherheitsmann an der Kasse und guckt die Kundschaft böse an, aber der hat keine Schusswaffe bei sich.

Auch in Tansania gab es zwar an einigen Orten Sicherheitsleute, aber ich bin nie kontrolliert worden. Es war eher so, dass die Security am Eingang vom Einkaufszentrum zwar theoretisch einen Metallscanner wie am Flughafen aufgebaut hatte, de facto aber jeder, der hindurchging, einen Alarm auslöste (auch wie am Flughafen) und trotzdem weiterging (nicht wie am Flughafen), ohne dass die Leute auch nur geguckt hätten, geschweige denn eine Leibes- und Taschenvisitation durchgeführt hätten. Es wurde anscheinend nicht für notwendig gehalten.

Aber hier scheint es notwendig zu sein und alle halten das anscheinend für selbstverständlich. Und das beunruhigt mich. Sicherheitsleute und Waffen schaffen eine Illusion von Sicherheit ohne nach den Ursachen für die Kriminalität zu fragen. Sie verlängern einen Status quo ohne die zugrundeliegenden Probleme anzugehen.

Deshalb bewirken all diese Waffen bei mir vermutlich das Gegenteil des Beabsichtigten: Sie machen mich eher nervös als dass sie mich beruhigen.

1http://databank.worldbank.org/data/reports.aspx?source=2&country=KEN