Dar es Salaam vs. Nairobi: Der Vergleich

03Juli2017

 

Image: Scales, © Hugo van Tilborg via CC BY-NC-SA 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Eins ist schon jetzt klar: Egal, was ich schreibe, entweder die tansanische oder die kenianische Seite des Internets wird mir vehement widersprechen. Wie gut, dass ich auf Deutsch schreibe; das erspart uns hoffentlich den Flamewar in der Kommentarspalte. (Bleibt nur noch zu hoffen, dass niemand Google Translator entdeckt.)

Kenianer_innen und Tansanier_innen sind ungefähr so wie Schwäb_innen und Berliner_innen, Ossis und Wessis, Piefkes und Ösis: Sie pflegen eine aktive, lang gehegte Hassliebe.

Und die leben sie auch gerne beim Vergleichen ihrer Hauptstädte aus, wobei die eigene natürlich die einzig wahre ist (versteht sich von selbst).

Und hier komme ich ins Spiel. Als außenstehende Unparteiische werde ich mich heute daran versuchen, die bessere von beiden ausfindig zu machen (ein zum Scheitern verurteiltes Vorhaben, das ist sicher, aber sei‘s drum).

Also: Auf die Plätze, fertig, los!

Essen/Küche:
Definitiv ein Punkt für Dar. Das Wort „Gewürz“ scheint in Nairobi nicht besonders bekannt oder beliebt zu sein. Wenn das Standardgericht Ugali (Maisbrei) aber nach Tapetenkleister mit der Konsistenz von altem Brot schmeckt, wäre würzen wärmstens zu empfehlen. Außerdem gibt‘s in Dar mein neues Lieblings-Fast-Food: chips mayai, ein Omlette mit einbegackenen Fritten und Ketchup obendrauf. Klingt zu Anfang abschreckend, ist aber sehr zu empfehlen. Und die chapatis (Fladenbrot, das wie Pfannkuchen herausgebacken wird) sind in Dar auch besser.

Kakerlaken:
Die in Nairobi sind länger (insbesondere die Fühler), dafür können die in Dar fliegen. Patt, würde ich sagen.

Menschen:
Bevor ich herkam, erzählte mir Ben (seines Zeichens Tansanier) folgende Geschichte: Er war auf einer Reise in Kenia und betrat einen Laden, um etwas zu kaufen. Also bat er den Händler freundlich darum, ob er es bitte haben könne. Er wurde abgewiesen, weil der Händler nichts an einen Bettler geben wollte. Ben müsse schon bezahlen. Woraufhin Ben verwundert meinte, dass er nichts anderes vorgehabt habe. Wie er erfuhr, kaufen Kenianer_innen ein, indem sie auf den gewünschten Gegenstand zeigen und befehlen: „Gib mir das!“. In Tansania wäre das rüde und undenkbar. Also: Wer wie ich aus Berlin kommt, wird sich in Nairobi womöglich wohl fühlen und die direkte Art und geringe Aufmerksamkeit gegenüber anderen nicht krumm nehmen. Wem an Freundlichkeit und Herzlichkeit im gegenseitigen Umgang gelegen ist, der ist in Dar womöglich besser aufgehoben.

Preise:
Dar ist meines Erachtens nach, und ohne dass ich das quantifizieren könnte, billiger. Zum einen, weil der Umtauschkurs von Euros zu Tansania-Shillingen günstiger ausfällt als zu Kenia-Shillingen. Zum anderen, weil meinem Eindruck nach die Lebenshaltungskosten geringer sind. Ich mein‘, im Vergleich zu Deutschland sind die meisten grundlegenden Dinge immer noch spottbillig (Mittagessen im Restaurant für umgerechnet 87 Cent!), aber insbesondere die Supermärkte sind teuer (und leider auch verlockend).

Sprache:
Wer Kiswahili lernen will, dem sei Dar wärmstens empfohlen. Die Leute in Tansania sprechen tendenziell das „reinere“, „ursprünglichere“ Kiswahili; besonders an der Küste, von wo Kiswahili auch stammt und von den ansässigen Völkern gesprochen wurde, bevor es sich mit dem Handel als Verkehrssprache in der ganzen Region verbreitete. In Nairobi wird hingegen eher Slang gesprochen. Wer mit Englisch durchkommen will, der hat in Nairobi definitiv die besseren Chancen. Man kann auf Englisch im Restaurant bestellen oder einkaufen, es gibt englische Fernsehsendungen und Zeitungen, und selbst die meisten Werbeplakate sind auf Englisch.

Strom:
Nairobi hat wesentlich weniger Stromausfälle. Wenn man wie ich ein Handy hat, das prompt aufgeladen werden will, sobald der Strom weg ist, lernt man das zu schätzen. Ebenso, dass ich duschen kann, ohne plötzlich im Dunkeln zu stehen.

Verkehr:
Ähnlich schlimm. Siehe auch meine vorige Einführung in den Straßenverkehr. Ich stehe jeden Morgen an der Straße gegenüber meinem Arbeitsplatz und beobachte den Kreisverkehr, in den die Straße mündet, mit einer Mischung aus Faszination und Schrecken. Auf wundersame Weise fädeln die Autos sich ein, fahren rundherum und biegen dann ab OHNE ZU BLINKEN. Und es ist bisher trotzdem immer gut gegangen. Können die die Gedanken der anderen Fahrer lesen? Haben die einen Extra-Schutzengel? Wie machen die das?

Westlichkeit“:
Vielleicht der springende Punkt bei der Frage, was einem mehr zusagt. Was sind meine Prioritäten? Will ich eine ganz andere Kultur erleben? Möglichst verschieden von dem, was ich aus Europa kenne? Und bin bereit, dafür auf Bequemlichkeiten zu verzichten?
Dann ist Dar ein gut geeigneter Ort.
Oder hänge ich an zuverlässiger Stromversorgung, Kinobesuchen, einem großen Warenangebot im Supermarkt, einer gut sortierten Buchhandlung? Genieße ich die Gesellschaft einer Community von anderen Ausländer_innen und gehören Clubs, Cafés und Einkaufszentren für mich einfach dazu?
Dann ist Nairobi als die „westlicherere“ der beiden Städte wohl eher zu empfehlen.

Ich habe gerade ein Buch gelesen („Margos Spuren“ von John Green), dessen Hauptthema, so wie ich es verstanden habe, ist, wie unvollständig unser Bild von anderen Menschen ist (und wie es meist mehr über uns als über jene andere aussagt). Es geht darum, in wie weit wir uns in andere hineinversetzen und sie verstehen können, und wie wir am Ende doch nur bis zu einem gewissen Grad aus unserer Haut heraus können.

Und genau das ist eine meiner großen Erkenntnisse der vergangenen Monate. In all der Zeit, habe ich versucht, eine andere Kultur und Gesellschaft kennen zu lernen und zu verstehen. Und dennoch habe ich mehr über mich als über irgendetwas oder irgendwen anderes gelernt. Und dazu gehört auch, dass ich letztendlich nicht ganz aus meiner Haut kann. Und deshalb ist Dar für mich ein schöner Ort, um mal eine Weile lang etwas ganz anderes zu erleben. Aber auf die Dauer würde ich vermutlich Nairobi bevorzugen. Und Berlin sowieso in jedem Fall vorziehen. Sorry.