Berichte von 04/2017

Würde

26April2017

Image: Hair dresser, © ke1jser via CC BY-NC-SA, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Im Zimmer meiner Gastschwestern ist nicht viel Platz. Keine Bücherregale, kein Schreibtisch, kein Kleiderschrank.

Aber ein improvisierter Toilettentisch mit Spiegel, Make-up, Schmuck, eine kleine Schuhsammlung und eine Auswahl an Handtaschen.

Auf der Fahrt durch die äußeren Stadtbezirke reiht sich entlang der Hauptstraßen Geschäft an Geschäft. Metzger, Getränkeverkäufer, Möbelhändler. Die Häuser sind improvisiert und die sandigen Pfade werden bei Regen überschwemmt und schwer passierbar. Es riecht nach verbrannten Abfällen und Abgasen. Und dazwischen Friseure und Beauty-Salons.

Man könnte das oberflächlich und dumm finden, dem Schönsein-Wollen so viel Raum einzuräumen. Dass Menschen Geld für neue Frisuren ausgeben, wenn laut BMZ und Weltbank 46% der Bevölkerung von weniger als 1,90 $ pro Tag und Person leben*.

Warum setzen sie denn nicht die richtigen Prioritäten? Kein Wunder, dass die arm sind. Sind halt doch nur wie Kinder, die sich von buntem Glitzerzeug ablenken lassen. Selber schuld, wenn sie ihr Geld für so was rauswerfen. Denen müsste man einfach mal zeigen, wie man das richtig macht.

Aber ich glaube, dass es hier um etwas ganz Anderes und Kostbareres geht: Würde.

Sich selbst schön zu finden, sich wertzuschätzen und damit an Selbstbewusstsein zu gewinnen.

Selbstbewusst zu definieren, was man schön findet. Sich den fremden Schönheitsidealen zu widersetzen, die in Europa und Nordamerika ersonnen wurden und dunkle Haut und krauses Haar zum Makel erklärten. Zu Haarknoten gewundene Zöpfe und Cornrows statt Glätteisen und Bleichcreme.

Sich ein Stück Selbstbestimmung erkämpfen und nicht kapitulieren, weil das Leben auch hier hart sein kann.

Aus dem Alltag entfliehen und träumen zu dürfen.

Das alles macht die Menschen vom Produkt und Spielball ihrer Umstände zu Gestaltern ihres Lebens. Es verschafft ihnen aktiven Gestaltungsraum.

Und ganz nebenbei verschafft es auch den Betreiber_innen der Salons ein Einkommen. Auch ein Akt der Emanzipation.

*http://www.bmz.de/de/laender_regionen/subsahara/tansania/profil.html

Anfänge und Erinnerungen

21April2017

Image: Railway, © Saffron Waller Photograpy via CC BY 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Ganz am Anfang, als ich dachte, ich könnte dieses Blog bald starten (und dann kam Einiges dazwischen – little did I know), schrieb ich einen Beitrag. Es waren meine ersten Tage hier, ich war auf einmal 7000 km von zu Hause, umgeben von mir fremden Leuten und wusste nicht, was auf mich zukommen würde. Ich fürchtete mich vor all dem Unbekannten und hatte Heimweh, was mir zuletzt als 14jähriger Backfisch passiert war. Vermutlich wäre ich dankbar in jedes Flugzeug gestiegen, das mich zurückgebracht hätte. Aber Schreiben half. Also nahm ich meinen Laptop, setzte mich hin und begann. Ohne Plan oder Konzept, einfach nur um mir in einem imaginären Dialog mit dem Notebook Dinge von der Seele zu reden/schreiben.

Wenn ich jetzt auf dieses Geschreibsel zurückblicke, finde ich es schwer zu glauben, wie sehr sich die Dinge (und ich) in eineinhalb Monaten ändern können und wie schnell man sich (um)gewöhnen kann.

Dennoch möchte ich etwas von damals hier als ersten „richtigen“ Eintrag veröffentlichen. Quasi eine Erinnerung an den Beginn meiner Reise.

Kulturschock ist ein schwer zu definierendes Wort. Sicher, wir alle haben schon mal davon gehört. Aber was man sich darunter vorzustellen hat? Keine Ahnung. Schock klingt so nach plötzlichem Schrecken, der schnell wieder vorbeigeht. Dabei ist es eigentlich eher ein schleichendes Gefühl, das langsam in mir hochkriecht. Stück um Stück, wenn mir noch eine Sache bewusst wird, die anders ist und fremd und einschüchternd.

Sich zu viert ein Zimmer teilen, und dabei aus Koffern und Kisten leben, die unter die Betten geschoben werden. Mit drei Betten ist kein Platz übrig für Schränke und Regale. Der Verzicht auf Privatsphäre.

Die fremde Sprache um einen herum nicht zu verstehen. Mir gegenüber benutzt meine Gastfamilie Englisch, aber miteinander sprechen sie Kiswahili.

Sich in überfüllte und klapprige Toyota-Kleinbusse zu quetschen, die wahrscheinlich keinen TÜV bestehen und jede Sicherheitsrichlinie der EU verletzen würden. Bei halsbrecherischen Überholmanövern hin- und hergeschleudert zu werden, weil alle Sitzgurte rausmontiert wurden. (Immerhin, die Hauptstraßen sind in einem besseren Zustand als viele in Berlin.)

Der allabendliche Stromausfall, wenn man bei Taschenlampenlicht duschen muss.

Die Verantwortung. Auf einmal alle Entscheidungen selbst treffen zu müssen. Es ist ein mulmiges Gefühl, mehrere hundert Euro von der Bank abzuheben, um die Teilnehmergebühr zu bezahlen.

Überforderung mit allem und jedem.

Für alle, die sich über die URL wundern...

20April2017

...die Erklärung ist gleichermaßen simpel und unaufregend. Meine Kreativität ist zugegebenermaßen begrenzt und ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich meinen Aufenthalt hier in einer einzigen (und möglichst eingängigen) Phrase zusammenfassen sollte. Bis mir auffiel, dass die Tansanier selber ihr Land bereits in ihrer Flagge zusammengefasst haben:

Quelle: wikipedia.org

Grün für die Natur

Gelb für die Sonne oder die Schätze des Landes (mir sind beide Interpretationen begegnet)

Schwarz für die Menschen

Blau für das Meer

Eine kurze Vorstellung: Wer, wie, was, wo und warum?

20April2017

  

Image: Identity, © Toni Fish via CC BY-NC-ND 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Mein Name ist Tabea, und ich war Anfang 2017 für fünf Monate als Freiwillige in Tansania und Kenia: zunächst für drei Monate in Dar es Salaam und danach für zwei weitere Monate in Nairobi

Ich war gerade aus der Schule in die Freiheit entlassen, mit der ich seitdem zurechtzukommen versuche

Liebhaberin von Fremdwörtern, Büchereien, Uneitelkeit und schrägem Humor; Nachteule; Großstadtpflanze

Ich gehe Dingen gerne auf den Grund und will es ganz genau wissen

Dinge, die ich nicht mag: Gedichtanalysen, Bigotterie, früh aufstehen, Selbstgerechtigkeit, Druckertreiber installieren

 

Was ich gemacht habe

Ich war anfangs für drei Monate als Freiwillige in Dar es Salaam, Tansania. Unter der Woche habe ich in einer nursery school als „Mädchen für Alles, was grade anfällt“ gearbeitet: Hausaufgaben korrigieren, neue Aufgaben in die Schulhefte schreiben, Plakate malen, Bleistifte anspitzen, die Kinder mehr oder weniger erfolgreich vom Unsinn machen abhalten, Geschirr abwaschen, Porridge füttern, den Morgenappell anleiten - die Liste ließe sich weiter fortsetzen.

Anschließend bin ich weitergezogen, nach Nairobi, Kenia. Ich war dort als Freiwillige bei einem Mikrokreditfonds, der Kleinstkredite an (angehende) Unternehmer_innen vergibt, die bei einer regulären Bank keine Chance hätten.

Meine Hauptaufgabe war es, eine digitale Datenbank aller Mitglieder zu erstellen, und meinen Kolleg_innen zu zeigen, wie sie die Datenbank benutzen können.

 

Warum ich das gemacht habe

Ehrlich gesagt hat meine Vorstellung davon über die Zeit gelitten. Es scheint generelle Freiwilligenweisheit zu sein, dass dem großen Idealismus die große Ernüchterung folgt. Von daher bin ich dankbar, dass mir der erste Realitätscheck bereits auf dem Vorbereitungsseminar verpasst wurde. Trotzdem ist es mir natürlich nicht erspart worden, nochmal überdenken zu müssen, was ich gemacht habe, was ich damit bezwecken wollte und was ich letztendlich bewirkt habe (ziemlich wenig).

Hier also eine vorläufige Liste an Gründen, warum ich trotzdem froh bin, diesen Freiwilligendienst gemacht zu haben:

Ich habe Dinge gelernt, die in keiner Schule gelehrt werden

Ich musste meine Vorstellungen und Vorurteile hinterfragen, und meine Sicht auf die Welt und meine Anschauungen ändern und der Wirklich anpassen

Vielleicht habe ich auch den Kindern und Lehrerinnen an der Schule das Leben etwas leichter gemacht, und den Mitarbeiter_innen beim Mikrokreditfonds ihre zukünftige Arbeit durch die Datenbank erleichtert

Ich habe neue Leute und ihre Perspektive(n) kennengelernt

Und eines Tages kann ich vielleicht hoffentlich etwas von dem, was ich gelernt habe, weitergeben