Ein typischer Tag in einer typischen Woche in einem (mutmaßlich) typischen Freiwilligenleben, eine Trivialität in 4 Akten

10Mai2017

Image: Book Grid, © coccu via CC BY-ND 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Eine ungefähre Idee von dem, was ich hier so mache, habe ich ja schon in meiner Kurzvorstellung gegeben. Weil ich aber weiß, dass meine eigene Vorstellung davon, was genau man als Freiwillige_r so macht, eben genau das – sehr ungefähr – war, möchte ich hier etwas mehr in die Tiefe gehen. Denn obwohl ich (bevor ich hierher kam) diejenige war, die sich logischerweise am meisten mit Freiwilligendiensten im Allgemeinen und meinem Freiwilligendienst im Speziellen beschäftigt hatte, wusste ich wenig über die ganz profanen Dinge. Wie sieht mein Tag aus? Welche Aufgaben habe ich? Wie viel Freizeit habe ich, und womit beschäftige ich mich nach Feierabend? Dazu waren die Erfahrungsberichte und Materialien, die ich kannte, nicht sehr aufschlussreich. Ich kann nur vermuten, dass das zu banal erschien, um erwähnenswert zu sein.

Damit aber alle Leute zuhause (huhu!) mal wissen, was ich den lieben langen Tag so mache – nein, weder rette ich die Welt, noch ist das hier ein Ferienressort – kommt hier „Ein typischer Tag in einer typischen Woche in einem (mutmaßlich) typischen Freiwilligenleben“, eine Trivialität in 4 Akten.

dramatis personae:

ca. 60 Kinder zwischen 2 und 6 Jahren

Faith, Leda und Rose, drei Lehrerinnen

Rachel, die Schulleiterin

eine Freiwillige (ich)

weitere Komparsen: ein Fahrer und eine Gruppe Bauarbeiter

Ort der Handlung: ein Schoolvan, die Cleopatra Memorial Nursery School

1. Akt: Schulweg

Die Arbeit beginnt etwa um 7:20 Uhr, wenn ich in den school van zusteige, der die Kinder abholt und zur Schule bringt.

Warum Arbeit? Tja, die Kinder verfügen auch morgens um halb acht bereits über erstaunliche Ressourcen an Kraft und Energie – und das ganz ohne Kaffee –, die sie mit der Welt teilen möchten, aber nicht den Raum dafür haben.

Dazu muss man wissen, dass der school van eine Art Kastenwagen ist, in dessen Stauraum zwei Sitzbänke montiert sind, auf denen ich und 13 Kinder Platz nehmen. Es wird entsprechend eng, und die Kinder können natürlich keine halbe Stunde lang stillsitzen und nicht tun. Also fangen sie an, herumzuturnen, -schreien und -albern, was leider gerne in Streitereien, Verletzungen und Tränen endet. Von daher muss ich erst alle Kinder (und meinen Rucksack) unterbringen, und dann vom Quatschmachen abhalten oder anderweitig beschäftigen.

2. Akt: Morgenappell

Um 7:50 Uhr kommt der school van an der Schule an und ich helfe den Kindern aus dem Van. K. will natürlich nicht ohne weiteres aussteigen, R. rennt in die falsche Richtung – es wird gerade angebaut und die Baustelle soll nicht betreten werden – und die Kinder sammeln sich zum Morgenappell auf dem Schulhof. Dabei singen wir mit ihnen Lieder, Reime und Frage-Antwort-Spiele („'Elephant, elephant?' – 'Yes, yes, yes!' – 'Jump on the bus?' – 'No, no, no!' Why, why, why?' – 'Because I'm too big (Hände weit auseinander halten) and the bus is too small (Hände zusammenklatschen)!')

3. Akt: Unterricht

Ab 8 Uhr beginnt die erste Stunde. Dafür werden die Kinder auf drei Klassen – baby class, middle class und top class – aufgeteilt und von Rose, Leda und Faith in Mathematik, Englisch, Kiswahili, Handwriting oder Sciences unterrichtet. Ich gehe abwechselnd in jede Klasse und gucke, womit ich helfen kann.

Das kann heißen, Hausaufgaben zu korrigieren und neue Aufgaben in die Aufgabenhefte zu schreiben (relativ monoton und stupide, aber man kann sich in eine Ecke setzen und hat seine Ruhe), Plakate zu malen (meine künstlerischen Fähigkeiten wurden ausgereizt, als ich „x as in x-ray“ bildlich darstellen musste) oder mit den Kindern auf dem Hof im Sand schreiben zu üben (sprich: sie vom Sandburgen bauen abzuhalten und versuchen, den Unterschied zwischen b und d klarzumachen, und das bei 30°C Außentemperatur). Und manchmal bin ich in Ermangelung einer Tafel für jeden Klassenraum auch einfach nur Plakatehalterin, wie diese alten Kartenständer, die bei uns immer rumstanden.

Die erste Stunde geht bis um 9:30 Uhr, wenn die zweite Stunde beginnt, die bis 10:30 Uhr dauert. Dann gibt es eine halbe Stunde „porridge break“, in der zuerst an die Kinder ein Frühstück (besagter porridge) ausgehändigt wird. (Den sie auch gerne gleich wieder verschütten. Oder den sie nur akzeptieren, wenn man ihn persönlich füttert.) Danach wird Wasser ausgeschenkt, nur dass die Kinder es schwer finden, sich ohne Drängeln und Schubsen in einer Schlange anzustellen. Immerhin habe ich etwas zu tun, worüber ich heilfroh bin, als S., einer der Bauarbeiter nach meiner Telefonnummer fragt und ich vorgebe, gerade akut mit einem der Kinder schimpfen zu müssen, während ich krampfhaft überlege, wie ich das höflich ablehnen und ihn loswerden kann.

Anschließend essen die Lehrerinnen ihren Porridge und ich habe Teepause. Dann stoße ich wieder zur dritten Stunde hinzu, die von 11 Uhr bis 12:30 Uhr geht. Einige Kinder gehen dann bereits nach Hause, aber natürlich nicht ohne einen weiteren Appell: „Good bye, our teacher, good bye (Hände drei mal zusammenklatschen). We are sorry, we are sorry to leave (können nicht schnell genug davonstürmen).“ Die anderen versammeln sich zum Mittagessen um 13:00 Uhr: Montags Reis mit Bohnen, dienstags Reis mit Bohnen, mittwochs… yep, donnerstags Bohneneintopf, freitags Reis mit Kartoffeln. Ja, ich krieg auch noch was ab. Aber unten aus dem Topf, wo’s leicht angebrannt schmeckt.

Nach dem Essem reiten wir Matten auf dem Fußboden aus und die Kinder halten Mittagsschlaf; na ja, manche schlafen wirklich :), während die Lehrerinnen und ich youtube-Videos gucken den Unterricht für den nächsten Tag vorbereiten. Heißt: Noch mehr Aufgaben schreiben.

4. Akt: Rückweg

Eine Wiederholung des ersten Aktes, nur dass die Kinder im Gegensatz zu mir frisch ausgeschlafen sind und ich keinen Kaffee habe. In Mbande werde ich schließlich in die Freiheit entlassen und muss nur noch weitere 20 Minuten nach Hause gehen. Oder bei der Hitze eher schlurfen. Unterwegs versuche ich, an dem Ladenbesitzer von… keine Ahnung, was er eigentlich macht… vorbeizukommen, ohne dass er mir wieder irgendwas hinterherruft. Als es noch „ninakupenda“ („ich liebe dich“) war, war das… keine Ahnung, aber mittlerweile hat er sich auf „ninakupenda sana“ („ich liebe dich sehr“) gesteigert und es ist… creepy? Besonders weil sein aggressiver Tonfall einem Hollywood-Nazifilm-Blockwart alle Ehre machen würde.

Zum Abschluss noch ein Highlight des Tages: Immerhin ist die Brücke über den Bach wieder repariert und ich muss mich nicht im Weitsprung üben.