Im Nachhinein (Hinterher ist man immer klüger) feat. Abschiednehmen

07Okt2017

Image: playlist, © NELO Mijangos via CC BY-NC 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Als ich an meinem ersten Tag in Tansania in einem fremden Bett aufwachte, meine ersten Schritte durch ein fremdes Haus tat und mich vorsichtig an die (freundlichen aber trotzdem) fremden Leute herantastete, mit denen ich von nun an zusammenleben würde, da kamen mir fünf Monate unendlich lang vor. Und weil ich nichts zu tun hatte, hatte ich umso mehr Zeit zum Nachdenken und Sorgenmachen. Ich glaubte nicht, es hier auch nur eine Woche aushalten zu können, geschweige denn ein knappes halbes Jahr. Aber ich hatte keine Wahl: Mein Rückflug war erst in fünf Monaten gebucht, und bis dahin würde ich hier nicht wegkommen, das war mir klar. Deshalb blieb ich. „The only way out is through“, dieser Satz hat mich die ganzen fünf Monate begleitet. Bei jeder neuen Herausforderung, jeder neuen (scheinbar) ausweglosen Situation, jedem Anflug von Einsamkeit und Heimweh. Und ich bin froh darüber! Denn danach wusste ich dann immer auch: Ich habe wieder was gelernt! Ich habe wieder erfahren, was ich mir alles zutrauen kann! Ich habe wieder gemerkt, dass ich nicht allein bin! Und dann waren da natürlich auch die schönen Momente, wenn wir am Lagerfeuer saßen und Spiele spielten, oder wenn die Kinder in der Schule mir morgens schon freudig entgegen gelaufen kamen und mich begrüßten.

Und wegen all dieser Erlebnisse bin ich froh, dass ich zum Bleiben gezwungen war. Dass ich mich auf dieses Abenteuer eingelassen und mich in diese Lage manövriert habe. Es liegt auch eine Erleichterung darin, keinen Rückzug mehr machen zu können. Ich konnte nach vorne schauen und mich ganz auf das Kommende konzentrieren, anstatt mich damit zu beschäftigen, was ich jetzt stattdessen zu Hause alles machen könnte und wie viel besser und einfacher das doch wäre.

Ja, es war abenteuerlich und unvorhersehbar, an manchen Tagen enttäuschend oder erschütternd, auf jeden Fall anders als ich es erwartet hätte. Aber ich habe so viel darüber gelernt, wie Menschen ihr Miteinander gestalten, was ihnen wichtig ist und wo sie ihre Prioritäten setzen, wie sie die Welt wahrnehmen und wie sie ihr Leben gestalten. Und ich habe unglaublich viel über mich selber gelernt, wer ich bin und was ich will. Ich bin mit vielen offenen Fragen in diesen Freiwilligendienst hineingegangen und bin mit alles anderem als Gewissheit daraus zurückgekommen. Was ich sicher weiß, ist, dass ich nicht die einzig richtige Sichtweise besitze. Menschen können auf Grund der selben Sachlage zu verschiedenen Schlussfolgerungen und Entscheidungen gelangen, ohne dass es ein eindeutiges „richtig“ oder „falsch“ gibt.

Das ist mein „Mitbringsel“ aus dieser Zeit, und mit diesem Mitbringsel im Gepäck möchte ich jetzt weiterziehen. Ich bin Ende Juli halb freudig und halb wehmütig wieder nach Deutschland zurückgekommen und habe dieses Kapitel meines Lebens abgeschlossen. Und deshalb, denke ich, ist es jetzt auch Zeit, diesen Blog als Dokument dieser Erfahrung abzuschließen. Möglicherweise gibt es mit der Zeit noch den einen oder anderen Nachtrag, wenn mir noch etwas einfällt, dass ich aufschreiben und bewahren möchte. Aber fürs Erste ist das hier mein Abschied.

Danke an alle, die mitgelesen und miterlebt haben! Danke für Eure Offenheit und Neugier!

Ich hoffe, ich konnte Euch ein kleines Fenster in die weite Welt hinaus eröffnen.

Alles Liebe

Tabea

Alles ganz normal

17Juli2017

Image: Normal One, © John Weise via CC BY-NC-SA 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Heute geht es mal um mich. Darum wo ich wohne, wie ich lebe und was ich tue. Ich kann mir vorstellen, dass sich niemand zuhause so wirklich vorstellen kann, wie das Leben hier aussieht. Bevor ich herkam ging‘s mir nämlich auch so. Und hätte mir jemand damals erzählt, dass ich mal eine ganze Woche ohne fließendes Wasser verbringen würde, hätte ich die ganze Aktion vielleicht sogar gleich wieder abgesagt. Aber wenn man eine Weile hier gewesen ist, verschiebt sich die eigene Wahrnehmung davon, was normal ist. Hier also meine aktuelle Version von Normalität und Alltäglichkeit:

Ich bin in Nairobi, Kenia. Genauer genommen in Buru Buru. Wer sich in Nairobi auskennt, weiß, dass der Wohnort hier immer auch etwas über die Herkunft und gesellschaftliche Position aussagt. Buru Buru lässt sich daher auch als „Vorort für die untere/mittlere Mittelschicht“ lesen.

Da die Briten in der Kolonialzeit ihr eigenes Klassensystem nach Nairobi übertragen zu haben scheinen, spiegelt sich das auch im Stadtbild wieder. Nairobi ist einerseits in West und Ost unterteilt; im Westen liegen die prestigeträchtigen und vornehmen Stadtviertel für alle, die es sich leisten können; im Osten wohnt, wer das (wie ich) nicht bezahlen kann. Und dann gibt es noch die Slums für diejenigen, denen auch Viertel wie Buru Buru zu teuer sind.

Das Stadtzentrum ist etwa eine halbe Stunde Busfahrt entfernt und unterteilt sich nochmals in Downtown („Unterstadt“) und Uptown („Oberstadt“). Downtown besteht aus aneinandergedrängten, niedrigstöckigen Häusern, entlang der Straßen reihen sich die Stände von Straßenhändlern, der Verkehr ist dicht (und laut). In Uptown stehen Hochhäuser und neoklassizistische (?) Kolonialbauten, die Straßen sind breiter (und sauberer), es gibt teure Markengeschäfte und ausgedehnte Grünflächen.

Die Busse heißen „Matatus“ und wetteifern miteinander um Kundschaft und die schrillste Aufmachung. Jeder Busfahrer gestaltet seinen Matatu so, wie es gefällt. Außerdem spielen sie im Innern laute Musik ab, um Kundschaft anzulocken; bei mir führt das aber dazu, dass ich nur mit Ohrstöpseln fahren kann.

Untergebracht bin ich bei R., die, seit ihre Kinder aus dem Haus sind, deren Zimmer an Freiwillige vermietet. Zusätzlich hat sie auf ihrem Hinterhof Verschläge (mir fällt kein besseres Wort für diese Behausungen ein) errichtet, die sie ebenfalls vermietet. Ich nehme an, die sind für jene gedacht, die sich kein richtiges Zimmer im Haus leisten können. Zum Haushalt gehören also R., ihre Haushaltshilfe B. eine wechselnde Anzahl an Freiwilligen (m Moment sind das eine weitere Deutsche, ein Niederländer und ich) und die übrigen Mieter_innen.

Strom haben wir fast immer, und Wasser gibt‘s die meiste Zeit über. Allerdings reicht der Druck in der Leitung fast nie aus, um das Wasser in den ersten Stock hinaufzubefördern, sodass B. das Wasser vom Außenhahn auf dem Hof holen und die Treppe hinauf schleppen muss, um die großen Tanks zu befüllen, die im Badezimmer und Flur stehen. Dieses Wasser können wir dann zum Duschen und Toilettenspülen benutzen.

Samstags ist (inoffizieller) Waschtag, wenn alle Mieter_innen versuchen, etwas von dem (zumeist dünnen) Strahl abzubekommen, der aus dem Wasserhahn kommt, und sich mit ihren Waschbottichen den Platz auf dem Vorderhof gegenseitig streitig machen. Abgesehen von den männlichen Freiwilligen habe ich bisher nur Frauen waschen gesehen. Es ist eine ziemlich eintönige Arbeit – tunken, schrubben, wringen – tunken, schrubben, wringen – usw. Aber sie hat durchaus eine kontemplative Komponente: Man muss nicht über das, was man tut, nachdenken, sondern kann seine Gedanken schweifen lassen, ohne dass es viel Ablenkung gäbe.

Unter der Woche arbeite ich bei einem Mikrokreditfonds, der Kredite an Leute vergibt, die ein Business starten oder ausbauen möchten, aber bei einer Bank keine Chance hätten, weil sie nicht wohlhabend genug sind, um als kreditwürdig zu gelten.

Das Büro ist etwa 10 min Fußweg entfernt – ich kann also ausschlafen. Theoretisch beginnt der Arbeitstag um 8 Uhr, de facto taucht aber niemand vor 9 Uhr auf (die kenianische Vorstellung von Pünktlichkeit entspricht nicht so ganz unseren deutschen Standards). Wir haben einen ziemlich kleinen Raum mit drei Schreibtischen und einem Computer, der noch mit Windows XP läuft (ich wusste gar nicht mehr, wie man das bedient). Wir sind momentan fünf Leute: zwei fest Angestellte, zwei Freiwillige (inkl. mir) und eine Praktikantin. Es gibt nicht wirklich genug zu tun, um fünf Leute beschäftigt zu halten, deshalb habe ich mir jetzt selbst ein Projekt gesucht, damit ich was zu tun habe, und habe angefangen, eine digitale Datenbank aller Mitglieder zu erstellen, und dabei an alle eine eindeutige Mitgliedsnummer zu vergeben. Bisher gibt es nämlich nur einige Ordner voller unsortierter Registrierungsformulare und es ist unmöglich, eine bestimmte Person darin zu finden. Ich habe zum Glück meinen eigenen Laptop mitgebracht und bin mittlerweile ziemlich stolz darauf, dass ich mir die nötigen Software-Kenntnisse für die Datenbank selber angeknobelt habe. Ich hoffe, die Datenbank diese Woche fertigstellen zu können. Dann muss ich dann nur noch den anderen Mitarbeiter_innen beibringen, wie sie sie benutzen und fortführen können, und danach habe ich vielleicht noch Zeit, die Akten entsprechend der von mir eingeführten Mitgliedsnummern zu sortieren, bevor ich gehe. Es sind ja nur noch zwei Wochen…

Anderssein - ein Erfahrungsbericht

10Juli2017


Image: Be different, © Jakob Lawitzki via CC BY 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

An diesem Beitrag habe ich lange gesessen. Er ist über mehrere Wochen hinweg noch in Tansania entstanden, und ich habe lange gezögert, den Post zu veröffentlichen. Ich kann noch nicht mal genau sagen: Warum eigentlich? Weil es ein sehr persönlicher Eintrag ist? Weil ich mir nicht sicher bin, ob ich dem Thema gerecht werden kann? Weil ich vielleicht alles doch nur missverstanden habe?

Ich bin mir hier bei vielem nicht sicher, und deshalb habe ich diesen Post explizit als Erfahrungsbericht überschrieben. Er spiegelt nur meine eigene, sehr subjektive Sicht auf die Dinge wider.

Anders sein kann man in Bezug auf vieles. Musikgeschmack, Hobbies, Fähigkeiten etc. Aber das erste, anhand dessen wir Menschen bei jeder Begegnung als anders erkennen (und häufig auch abstempeln) ist, klar, Aussehen. Und was das angeht, ist es leicht, mich hier als anders auszumachen.

Was sich bisher für mich als nicht unbedingt schlecht herausgestellt hat. Ich bin viel Offenheit und Neugier begegnet. Fremde Leute, die mich einfach in ein Gespräch verwickeln, ungefragt für mich den richtigen Bus nach Hause auftreiben oder mir den Weg zeigen. Niemals habe ich eine negative Bemerkung gehört, Ablehnung oder Diskriminierung erfahren. Zumindest mein Anderssein scheint hier kein Grund für Ausgrenzung zu sein – ich kann nichts dazu sagen, wie andere Formen von Anderssein aufgenommen werden.

In Anbetracht dessen, was das Deutsche Kaiserreich in der Kolonialzeit der Bevölkerung Tansanias  (Teil des damaligen „Deutsch-Ostafrikas“) angetan hat – inklusive des blutig niedergeschlagenen Maji-Maji Aufstands – , wären antideutsche Ressentiments absolut verständlich, aber mir sind nie welche begegnet.

Meiner Gastschwester, die sich gerade für einen Freiwilligendienst in Deutschland beworben hat, könnte ich jedenfalls nicht zusichern, dass auch sie bei uns so freundlich aufgenommen werden würde. Weil sie eben von vielen als „fremd“ und „nicht weiß“ wahrgenommen würde. Und ich fürchte, dass ihr dieses Anderssein in Deutschland eher einen Nachteil als – wie mir – einen Vorteil einbringen würde. Und das ist schlicht und einfach unfair und falsch.

Ich habe manchmal sogar den Eindruck, dass ich einen „Fremden-Bonus“ habe. Mir wird schnell nachgesehen, irgendetwas aus Unwissenheit falsch gemacht zu haben. Ich kann nicht sagen, ob das auch so wäre, wenn ich nicht weiß wäre. Denn darin besteht am Ende der größte augenscheinliche Unterschied, der mich anders macht. Ob es sich daher um einen „Fremden–Bonus“ oder „Weißen-Bonus“ handelt, kann ich nicht sagen. Und während ersteres – Menschen aus einem anderen Land unterschiedslos gute Absichten zuzutrauen, weil sie es möglicherweise nur nicht besser wissen – natürlich begrüßenswert wäre, wäre letzteres – Menschen Dinge nachzusehen, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe „mehr dürfen“ – letztendlich auch Rassismus. Menschen mit der „richtigen“ Hautfarbe zu bevorzugen ist letztendlich auch eine (indirekte) Diskriminierung von people of colour.

Und es ist ein ziemlich perverses System, in dem wir "Weißsein" anscheinend zur Norm erhoben haben und als „besser“ gelten lassen, sogar in den Köpfen vieler Leute hier, habe ich häufig den Eindruck.

An Ostern waren wir bei der Nichte meiner Gastmutter eingeladen, die uns in ihrem Haus empfangen und bewirtet hat. Gastfreundschaft ist hier eine Selbstverständlichkeit und sehr hoch angesehen. Ich habe sie als eine herzensgute und großzügige Gastgeberin erlebt und ich bin mir sicher, dass sie nur die besten Absichten hatte.
Gleichzeitig wird aber auch das eigenes Ansehen davon beeinflusst, wie gastfreundlich man ist, und wie „hochgestellt“ oder „prestigeträchtig“ die eigenen Gäste sind.
Jedenfalls ließ sie es sich nicht entgehen, uns auf dem Rückweg zu begleiten und sich mit uns sehen zu lassen und den Nachbarn vorzustellen (oder vielleicht auch eher vorzuführen). Dann rief sie irgendjemanden an (keine Ahnung, wer das war) und hielt mir plötzlich das Telefon ans Ohr, um mich mit irgendeinem Wildfremden sprechen zu lassen. Und zwar nur mich, nicht meine Gastschwester und -mutter. Was mir das Gefühl gibt, dass sie weniger ihre Verwandtschaft als „die mzungu“ irgendwie herumzeigen wollte. In dem Moment habe ich mich benutzt gefühlt, ein Prestigeobjekt oder Statussymbol, das man wie ein neues Auto oder einen neuen Fernseher präsentiert. Ich möchte niemandem irgendwelche schlechten Absichten unterstellen – ich glaube nicht, dass ihr oder dem Fremden am Telefon oder den Nachbarn die Dynamik dahinter bewusst war –, aber ich hatte den Eindruck, dass wir in dem Moment alle Opfer eines Systems waren, in dem sie (unbewusst) sich selber herabwertete und mich höher stellte, aber nicht als Person oder für wer ich bin, sondern für was ich in den Augen der Anwesenden darstellte.

Dar es Salaam vs. Nairobi: Der Vergleich

03Juli2017

 

Image: Scales, © Hugo van Tilborg via CC BY-NC-SA 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Eins ist schon jetzt klar: Egal, was ich schreibe, entweder die tansanische oder die kenianische Seite des Internets wird mir vehement widersprechen. Wie gut, dass ich auf Deutsch schreibe; das erspart uns hoffentlich den Flamewar in der Kommentarspalte. (Bleibt nur noch zu hoffen, dass niemand Google Translator entdeckt.)

Kenianer_innen und Tansanier_innen sind ungefähr so wie Schwäb_innen und Berliner_innen, Ossis und Wessis, Piefkes und Ösis: Sie pflegen eine aktive, lang gehegte Hassliebe.

Und die leben sie auch gerne beim Vergleichen ihrer Hauptstädte aus, wobei die eigene natürlich die einzig wahre ist (versteht sich von selbst).

Und hier komme ich ins Spiel. Als außenstehende Unparteiische werde ich mich heute daran versuchen, die bessere von beiden ausfindig zu machen (ein zum Scheitern verurteiltes Vorhaben, das ist sicher, aber sei‘s drum).

Also: Auf die Plätze, fertig, los!

Essen/Küche:
Definitiv ein Punkt für Dar. Das Wort „Gewürz“ scheint in Nairobi nicht besonders bekannt oder beliebt zu sein. Wenn das Standardgericht Ugali (Maisbrei) aber nach Tapetenkleister mit der Konsistenz von altem Brot schmeckt, wäre würzen wärmstens zu empfehlen. Außerdem gibt‘s in Dar mein neues Lieblings-Fast-Food: chips mayai, ein Omlette mit einbegackenen Fritten und Ketchup obendrauf. Klingt zu Anfang abschreckend, ist aber sehr zu empfehlen. Und die chapatis (Fladenbrot, das wie Pfannkuchen herausgebacken wird) sind in Dar auch besser.

Kakerlaken:
Die in Nairobi sind länger (insbesondere die Fühler), dafür können die in Dar fliegen. Patt, würde ich sagen.

Menschen:
Bevor ich herkam, erzählte mir Ben (seines Zeichens Tansanier) folgende Geschichte: Er war auf einer Reise in Kenia und betrat einen Laden, um etwas zu kaufen. Also bat er den Händler freundlich darum, ob er es bitte haben könne. Er wurde abgewiesen, weil der Händler nichts an einen Bettler geben wollte. Ben müsse schon bezahlen. Woraufhin Ben verwundert meinte, dass er nichts anderes vorgehabt habe. Wie er erfuhr, kaufen Kenianer_innen ein, indem sie auf den gewünschten Gegenstand zeigen und befehlen: „Gib mir das!“. In Tansania wäre das rüde und undenkbar. Also: Wer wie ich aus Berlin kommt, wird sich in Nairobi womöglich wohl fühlen und die direkte Art und geringe Aufmerksamkeit gegenüber anderen nicht krumm nehmen. Wem an Freundlichkeit und Herzlichkeit im gegenseitigen Umgang gelegen ist, der ist in Dar womöglich besser aufgehoben.

Preise:
Dar ist meines Erachtens nach, und ohne dass ich das quantifizieren könnte, billiger. Zum einen, weil der Umtauschkurs von Euros zu Tansania-Shillingen günstiger ausfällt als zu Kenia-Shillingen. Zum anderen, weil meinem Eindruck nach die Lebenshaltungskosten geringer sind. Ich mein‘, im Vergleich zu Deutschland sind die meisten grundlegenden Dinge immer noch spottbillig (Mittagessen im Restaurant für umgerechnet 87 Cent!), aber insbesondere die Supermärkte sind teuer (und leider auch verlockend).

Sprache:
Wer Kiswahili lernen will, dem sei Dar wärmstens empfohlen. Die Leute in Tansania sprechen tendenziell das „reinere“, „ursprünglichere“ Kiswahili; besonders an der Küste, von wo Kiswahili auch stammt und von den ansässigen Völkern gesprochen wurde, bevor es sich mit dem Handel als Verkehrssprache in der ganzen Region verbreitete. In Nairobi wird hingegen eher Slang gesprochen. Wer mit Englisch durchkommen will, der hat in Nairobi definitiv die besseren Chancen. Man kann auf Englisch im Restaurant bestellen oder einkaufen, es gibt englische Fernsehsendungen und Zeitungen, und selbst die meisten Werbeplakate sind auf Englisch.

Strom:
Nairobi hat wesentlich weniger Stromausfälle. Wenn man wie ich ein Handy hat, das prompt aufgeladen werden will, sobald der Strom weg ist, lernt man das zu schätzen. Ebenso, dass ich duschen kann, ohne plötzlich im Dunkeln zu stehen.

Verkehr:
Ähnlich schlimm. Siehe auch meine vorige Einführung in den Straßenverkehr. Ich stehe jeden Morgen an der Straße gegenüber meinem Arbeitsplatz und beobachte den Kreisverkehr, in den die Straße mündet, mit einer Mischung aus Faszination und Schrecken. Auf wundersame Weise fädeln die Autos sich ein, fahren rundherum und biegen dann ab OHNE ZU BLINKEN. Und es ist bisher trotzdem immer gut gegangen. Können die die Gedanken der anderen Fahrer lesen? Haben die einen Extra-Schutzengel? Wie machen die das?

Westlichkeit“:
Vielleicht der springende Punkt bei der Frage, was einem mehr zusagt. Was sind meine Prioritäten? Will ich eine ganz andere Kultur erleben? Möglichst verschieden von dem, was ich aus Europa kenne? Und bin bereit, dafür auf Bequemlichkeiten zu verzichten?
Dann ist Dar ein gut geeigneter Ort.
Oder hänge ich an zuverlässiger Stromversorgung, Kinobesuchen, einem großen Warenangebot im Supermarkt, einer gut sortierten Buchhandlung? Genieße ich die Gesellschaft einer Community von anderen Ausländer_innen und gehören Clubs, Cafés und Einkaufszentren für mich einfach dazu?
Dann ist Nairobi als die „westlicherere“ der beiden Städte wohl eher zu empfehlen.

Ich habe gerade ein Buch gelesen („Margos Spuren“ von John Green), dessen Hauptthema, so wie ich es verstanden habe, ist, wie unvollständig unser Bild von anderen Menschen ist (und wie es meist mehr über uns als über jene andere aussagt). Es geht darum, in wie weit wir uns in andere hineinversetzen und sie verstehen können, und wie wir am Ende doch nur bis zu einem gewissen Grad aus unserer Haut heraus können.

Und genau das ist eine meiner großen Erkenntnisse der vergangenen Monate. In all der Zeit, habe ich versucht, eine andere Kultur und Gesellschaft kennen zu lernen und zu verstehen. Und dennoch habe ich mehr über mich als über irgendetwas oder irgendwen anderes gelernt. Und dazu gehört auch, dass ich letztendlich nicht ganz aus meiner Haut kann. Und deshalb ist Dar für mich ein schöner Ort, um mal eine Weile lang etwas ganz anderes zu erleben. Aber auf die Dauer würde ich vermutlich Nairobi bevorzugen. Und Berlin sowieso in jedem Fall vorziehen. Sorry.

Die untergründige Bedrohung

20Juni2017

Image: Threat, © Mika Hiironniemi via CC BY-NC-ND 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Wenn ich Geld abheben will: Ein Mann mit Waffe vor dem ATM. Wenn ich in den Supermarkt will: Untersuchung mit einem Metalldetektor und Taschenkontrolle (nur um dann die Tasche sowieso abgeben zu müssen). Wenn mensch auf die Aussichtsplattform des Konferenzzentrums will: Eine erste Taschenkontrolle und ein Gang durch den Metalldetektor am Eingang, dann zwei weitere Soldaten mit Waffen an der Tür und ein weiterer Metalldetektor und eine Taschenkontrolle dahinter.

Ich bin mir nicht ganz sicher, wovor genau die Leute solche Angst haben.

Fürchten sie sich vor Terrorismus? Sicher, es gab in der Vergangenheit einige Anschläge und es wird befürchtet, dass über die Grenze zu Somalia Al-Shabab-Terroristen ins Land kommen. Aber ich bezweifle, dass ein am Rande Nairobis gelegener Vorort zu deren Top-Anschlagszielen gehört.

Überfälle? Schon eher wahrscheinlich. Zumindest wird man als Ausländer_in in Nairobi ausdrücklich vor der hohen Kriminalität gewarnt. Auf der einen Seite ist Nairobi das wirtschaftliche Zentrum Kenias und hat in den vergangenen Jahren hohe Wachstumsraten und eine zunehmende Mittelschicht hervorgebracht. Gleichzeitig gibt es auch ausgedehnte Slums und viele mittellose Zugezogene vom Land, die hoffen, ihr Glück zu machen. Trotz einer offiziellen Arbeitslosenrate von 11 % (21,45 % bei männlichen Jugendlichen)1 und ohne große Aussichten; und auf staatliche Unterstützung können sie auch nicht zählen. Klar, die inoffizielle Rate dürfte nochmal höher liegen, gleichzeitig verdienen sich viele im informellen Sektor. Das unter diesen Umständen die Kriminalität steigt, würde mich zumindest nicht wundern.

Trotz allem fühle ich mich nicht sicherer, wenn ich von Leuten in Uniform mit Waffen umgeben bin. Es macht mir eher Angst. Davor, dass eines Tages einer einen Unfall baut und, mehr noch, vor dem, was diese Maßnahmen erst notwendig macht.

Vielleicht bin ich es nur nicht gewöhnt. In Berlin steht im Supermarkt allenfalls abends nach acht ein Sicherheitsmann an der Kasse und guckt die Kundschaft böse an, aber der hat keine Schusswaffe bei sich.

Auch in Tansania gab es zwar an einigen Orten Sicherheitsleute, aber ich bin nie kontrolliert worden. Es war eher so, dass die Security am Eingang vom Einkaufszentrum zwar theoretisch einen Metallscanner wie am Flughafen aufgebaut hatte, de facto aber jeder, der hindurchging, einen Alarm auslöste (auch wie am Flughafen) und trotzdem weiterging (nicht wie am Flughafen), ohne dass die Leute auch nur geguckt hätten, geschweige denn eine Leibes- und Taschenvisitation durchgeführt hätten. Es wurde anscheinend nicht für notwendig gehalten.

Aber hier scheint es notwendig zu sein und alle halten das anscheinend für selbstverständlich. Und das beunruhigt mich. Sicherheitsleute und Waffen schaffen eine Illusion von Sicherheit ohne nach den Ursachen für die Kriminalität zu fragen. Sie verlängern einen Status quo ohne die zugrundeliegenden Probleme anzugehen.

Deshalb bewirken all diese Waffen bei mir vermutlich das Gegenteil des Beabsichtigten: Sie machen mich eher nervös als dass sie mich beruhigen.

1http://databank.worldbank.org/data/reports.aspx?source=2&country=KEN

Ich schaue zurück

04Juni2017

 

Image: Thinking, © Kacper Gunla via CC BY-NC 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Als ich am ersten März in Dar es Salaam landete, wurde ich am Flughafen abgeholt. Ich trat aus dem Flughafengebäude heraus und betrat eine neue, fremde Welt.

Als ich am ersten Juni nach Kenia ausreiste, wurde ich vom Haus meiner Gastfamilie zum Bus gebracht. Ich verabschiedete mich von einer mittlerweile vertrauten Welt.

Zwei Autofahrten durch das frühmorgendliche Dar es Salaam. Zeit, um eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Drei Monate Tansania. Eine Menge erlebt, vieles anders gewesen als erwartet oder geplant.

Einige Erkenntnisse:

  • Mein Handy immer aufzuladen, wenn ich in die Nähe einer Steckdose komme. Man weiß halt nie, wann der nächste Stromausfall naht, aber er kommt sicher, sobald der Handyakku leer ist.
  • Dass es weder offizielle Bushaltestellen noch Fahrpläne, festgelegte Buslinien oder Verkehrsnetz-Karten braucht, um von A nach B zu kommen.
  • Fließend Wasser wird überschätzt.
  • Kakerlaken können fliegen. Und sind verdammt schwer zu fangen.

Alles obenstehende wird immens überschätzt. Es mögen diese oberflächlichen Dinge sein, die dir anfangs am ehesten auffallen und dich am meisten erschrecken, aber dies sind auch die Dinge, an die du dich am schnellsten gewöhnst. Nach ein paar Wochen macht dir das nichts mehr aus.

Es sind die tiefergehenden Dinge, die dich viel mehr und viel länger herausfordern, die aber auch die meisten Erkenntnisse bringen. Du lernst Dinge über andere Menschen, ihre Lebensweisen und Perspektiven, aber vor allem lernst du Dinge über dich, und nicht alle werden dir gefallen.

Hier also meine persönliche (und unvollständige) Bilanz der vergangenen drei Monate. Ich habe gelernt, dass:

  • Manche Gesellschaften das Kollektiv über das Individuum stellen und es diesen Menschen nichts ausmacht, wenn es wenig Privatsphäre und Rückzugsräume gibt, wenn untergründig erwartet wird, dass sie ihren Besitz und ihre Ressourcen mit anderen teilen und nicht einfach nein sagen können, wenn es ausgeprägte soziale Kontrolle gibt und Konformität erwartet wird. Die Gemeinschaft sorgt für Sicherheit und das Gefühl, aufgehoben zu sein, insbesondere wenn es keinen Sozialstaat gibt, der das übernimmt.

    Wenn man in großen Familien und mit einem engen sozialen Netz aufgewachsen ist, fühlt man sich in Gesellschaft vermutlich aufgehoben und wohl, auch wenn ich es immer anstrengend fand, ständig von Menschen umgeben zu sein und nicht einfach mal eine Tür hinter mir schließen zu können.

  • Identität und Selbstwahrnehmung sehr verschieden geformt werden können. Ich kann mich über meine Interessen, Leistungen und achievements definieren, in Abgrenzung zu anderen Menschen. Oder ich kann mich über meine Nationalität, meine Religion oder andere Gruppierungen, denen ich angehöre, definieren, im Bezug auf andere Menschen.

  • Freizeit und Erholung anscheinend ein ziemlich westliches Konzept sind. Während ich mich in den Osterferien darauf gefreut hätte, eine Woche lang nichts tun zu müssen, fanden alle anderen reichlich Arbeit, die zu tun war. Und selbst für die Freiwilligen stellten sie einen Plan mit Aktivitäten auf, damit wir auch was zu tun hatten. Wir sollten uns schließlich nicht langweilen…

  • Ich den Arbeitsaufwand hinter bestimmten Dingen erst wertschätze, seit ich an Orten ohne Waschmaschine, Trockner, Staubsauger, Rasenmäher und Spülmaschine lebe. Meine Theorie re: Punkt II besagt ja, dass wir erst seit wir alle diese Dinge besitzen, auch Freizeit zum Selbstzweck erheben können.

  • Die meisten Dinge, mit denen wir zum Arzt rennen, ziemliche Bagatellen sind. An der nursery school, wo ich war, hatten die Kinder zwar andauernd ziemlich hässliche Wunden oder liefen monatelang mit einer triefenden Nase herum, aber überlebt haben sie es alle. Es gab zwar ein paar unschöne Narben, aber ihr Immunsystem ist auf jeden Fall bewundernswert.

Also: Nur weil ich Dinge auf eine bestimmte Weise sehe oder bestimmte Prioritäten setze, heißt das noch nicht, dass ich damit die einzig richtige Sichtweise besitze. Menschen können auf Basis der selben Sachlage zu verschiedenen Schlussfolgerungen und Entscheidungen gelangen, ohne das es ein eindeutiges „richtig“ oder „falsch“ gibt.

Dala-dala, piki-piki, tuc-tuc, boda-boda: Eine kurze Einführung in den öffentlichen Nahverkehr

29Mai2017

Image: Highway A23, © Mike via CC BY 2.0, source: flickr, no endorsement on part of the licensor

 

Ampel: Schöne Dekoration fürs Stadtbild. Wer tatsächlich ernst genommen werden will, stellt aber lieber einen Verkehrspolizisten zur Verkehrslenkung ab.

 

Aussteigen: → Einsteigen

 

Boda-Boda: Motorrad, weit verbreitet. Praktisch, wenn man sich an im Stau stehenden Autos vorbei schlängeln will. Auch zum Transport von Lasten geeignet, sogar Kühlschränke (!) habe ich hier schon auf einem Motorrad gesehen.

 

Dala-dala: Das billige Fortbewegungsmittel für alle, die kein Auto haben. Üblicherweise gebraucht importierte Kleinbusse mit kitschiger bis scheußlicher Inneneinrichtung (sofern sie noch vorhanden ist). Nichts für Menschen mit Klaustrophobie, im Vergleich erscheint die Berliner Ringbahn im Berufsverkehr menschenleer. Zumindest weiß ich jetzt, wie sich eine Sardine in einer Blechbüchse bei 30°C und ohne Klimaanlage fühlt, während sie auf einer Piste mit mehr Löchern als Asphalt bei wagemutigen Überholmanövern herumgeschleudert wird. Ich glaube, das einzige was einen vom Umfallen abhält, ist die Tatsache, dass es keinen freien Raum gibt, in den man fallen könnte.

 

Diebe: Äußerst findige Zeitgenossen. Langen gern in überfüllten Bussen in anderer Leute Taschen oder greifen durchs Fenster in den Bus hinein und reißen einem das Handy aus der Hand. Rucksack am besten auf dem Bauch tragen, Busfenster geschlossen halten und Geld im Brustbeutel verwahren.

 

Einsteigen: Höfliche Umschreibung für Rempelei. Die Vorschnellen krallen sich schon am Bus fest, sobald er abbremst und auf die Haltestelle zusteuert. Wenn dann die Türen geöffnet werden, beginnt der Wettkampf der Aussteigenden, Von-Innen-Herausdrückenden gegen die Einsteigenden, Sich-Hereindrängelnden. Also Ellenbogen benutzen und darauf verzichten, andere vorzulassen.

 

Fahrplan: Bitte, was?

 

Linksverkehr: In der Theorie: Alle Verkehrsteilnehmer halten sich auf der für sie links liegenden Straßenseite. In der Praxis: Oh, es kommt grade niemand in der Gegenrichtung gefahren? Wie praktisch! Lasst uns die Fahrbahn als zweite Spur benutzen! (Blöd nur, wenn dann doch jemand entgegenkommt und ein wildes Wieder-In-Die-Linke-Spur-Einscheren beginnt.)

 

Luft: Riecht äußerst schlecht. Das wundert mich nicht mehr, seit ich die schwarzen Wolken gesehen habe, die aus den Autos kommen. Ich stell‘ mir lieber nicht vor, wie schwarz meine Lunge mittlerweile ist.

 

Piki-piki: Motorradtaxi (siehe auch → Boda-boda). Der Fahrer sitzt vorne, hinten quetscht man sich zu zweit auf den Sozius (gar nicht so einfach, wenn man einen Rock trägt und nicht sein ganzes Bein zeigen will). Dann bleibt nur noch Festklammern und Beten, während man bei jedem Schlagloch und Hubbel hochgeschleudert wird und sich um Haaresbreite an Autos und Bussen (→ Dala-dala) vorbei schlängelt. Helme sind für Fahrgäste übrigens nicht vorgesehen (daher weitere Stoßgebete von Nöten).

 

Toyota: Fahren hier gefühlt 2/3 aller Autobesitzer. Und das restliche Drittel hat Nissans oder Hondas. Die Dinger sind einfach unverwüstlich und fahren auch noch, nachdem die gesamte Inneneinrichtung und ein Großteil der Elektronik (wer braucht schon Klimaanlagen und Autoradios?) entfernt wurde.

 

Traffic jam: Das tansanische Äquivalent zur Deutschen Bahn. Unausweichlich, nervenzehrend und unisono verhasst. Dar es Salaam wurde definitiv zu autofreien Zeiten konzipiert.

 

Tuc-Tuc: Dreirädrige motorengetriebene Rischka. Für kurze Strecken geeignet, dafür aber ziemlich teuer. Eigentlich kann man genauso gut Laufen.

 

Unfall: Ziemlich häufig und oft mit schweren Folgen. Besonders wenn es tagelang geregnet hat, sind die Straßen oft schlammig und rutschig uns es ist nicht verwunderlich, wenn Autos von der Straße abkommen und in den Straßengraben stürzen. Auch sonst werden viele Verkehrsregeln eher lax gehandhabt (oder ganz ignoriert). Viele Fahrzeuge sind alt und nicht unbedingt gut ausgestattet ( Airbags, Sitzgurte?) oder gewartet. Es hat auch nicht jedes Krankenhaus einen Krankenwagen, von daher muss man es erst mal selber ins Hospital schaffen, wenn man verletzt ist. Mit Sanitätern und Erstversorgung am Unfallort sollte man eher nicht rechnen. Die beiden, in denen ich bisher war, hatten zum Glück nur einen Blechschaden zur Folge.

I'm back, bitches!

23Mai2017

Grade mal zwei Wochen offline und so viel Neues... Heute mal drei Updates:

1) Der Titel sagt's.

 Und den hier konnte ich mir einfach nicht verkneifen.

2) Es gibt auch einen neuen Post. (Falsch datiert, ich weiß. Aber ich weiß eben nicht, wie ich das ändern kann.)

3) Ich übe mich immer noch im Finden von Lebensweisheiten. Diesmal: "Life is what happens while you're making other plans" (angeblich von John Lennon).

Aus den geplanten 5 Monaten in Tansania werden wohl nur 3. Nachdem ich mich einen Monat lang mit Visumsschwierigkeiten rumgeschlagen habe, steht jetzt fest, dass ich leider früher ausreisen muss als geplant... und zwar nach Kenia! Dort werde ich dann weitermachen. Andere Partnerorganisation, anderes Projekt, neue Herausforderungen...stay tuned!

Was den Blog angeht, heißt das wohl, dass ich den Untertitel werde ändern müssen (die URL eigentlich auch, aber dann könnte mich ja keiner mehr finden... von daher wohl besser nicht). Ansonsten habe ich noch ein paar tansanische Beiträge in der Pipeline, die ich nach und nach veröffentlichen werde, und dazu kommen dann hoffentlich auch noch ein paar Beiträge aus Kenia.

Ich spanne einen weiten Bogen

10Mai2017

Es gibt diese Freundschaftsbuecher, die so in der dritten Klasse bei uns der Renner waren. Man fuellte einen Steckbrief aus, klebte eins der leidigen Bilder vom Schulfotografen rein und noch ein paar Pony-Sticker dazu. Zu den wiederkehrenden Fragen gehoerte: Was ist dein Lebensmotto? Ich fand die Frage ja schon immer bloed, weil ich weder als 8 noch als 18jaehrige den Schluessel zum Geheimnis unserer Existenz, den einen, alles zusammenfassenden Satz gefunden habe. Aber wenn ich denn eine Weisheit nennem muesste, hielte ich es mit einem meiner ehemaligen Lehrer: shit happens.

Also, in diesem Fall ist mein Notebook kaputt gegangen, natuerlich ausgerechnet dann, wenn ich nicht zuhause bin. Ich habe keine Ahnung, wann es wieder repariert sein wird (und ob es ueberhaupt zu retten ist.) Von daher werde ich leider erstmal keine neuen Posts online stellen koennen.

Ich hoffe natuerlich trotzdem, bald wieder zurueck zu sein.

Bis dahin alles Gute

Tabea

Ein typischer Tag in einer typischen Woche in einem (mutmaßlich) typischen Freiwilligenleben, eine Trivialität in 4 Akten

10Mai2017

Image: Book Grid, © coccu via CC BY-ND 2.0, source: Flickr, no endorsement on part of the licensor

Eine ungefähre Idee von dem, was ich hier so mache, habe ich ja schon in meiner Kurzvorstellung gegeben. Weil ich aber weiß, dass meine eigene Vorstellung davon, was genau man als Freiwillige_r so macht, eben genau das – sehr ungefähr – war, möchte ich hier etwas mehr in die Tiefe gehen. Denn obwohl ich (bevor ich hierher kam) diejenige war, die sich logischerweise am meisten mit Freiwilligendiensten im Allgemeinen und meinem Freiwilligendienst im Speziellen beschäftigt hatte, wusste ich wenig über die ganz profanen Dinge. Wie sieht mein Tag aus? Welche Aufgaben habe ich? Wie viel Freizeit habe ich, und womit beschäftige ich mich nach Feierabend? Dazu waren die Erfahrungsberichte und Materialien, die ich kannte, nicht sehr aufschlussreich. Ich kann nur vermuten, dass das zu banal erschien, um erwähnenswert zu sein.

Damit aber alle Leute zuhause (huhu!) mal wissen, was ich den lieben langen Tag so mache – nein, weder rette ich die Welt, noch ist das hier ein Ferienressort – kommt hier „Ein typischer Tag in einer typischen Woche in einem (mutmaßlich) typischen Freiwilligenleben“, eine Trivialität in 4 Akten.

dramatis personae:

ca. 60 Kinder zwischen 2 und 6 Jahren

Faith, Leda und Rose, drei Lehrerinnen

Rachel, die Schulleiterin

eine Freiwillige (ich)

weitere Komparsen: ein Fahrer und eine Gruppe Bauarbeiter

Ort der Handlung: ein Schoolvan, die Cleopatra Memorial Nursery School

1. Akt: Schulweg

Die Arbeit beginnt etwa um 7:20 Uhr, wenn ich in den school van zusteige, der die Kinder abholt und zur Schule bringt.

Warum Arbeit? Tja, die Kinder verfügen auch morgens um halb acht bereits über erstaunliche Ressourcen an Kraft und Energie – und das ganz ohne Kaffee –, die sie mit der Welt teilen möchten, aber nicht den Raum dafür haben.

Dazu muss man wissen, dass der school van eine Art Kastenwagen ist, in dessen Stauraum zwei Sitzbänke montiert sind, auf denen ich und 13 Kinder Platz nehmen. Es wird entsprechend eng, und die Kinder können natürlich keine halbe Stunde lang stillsitzen und nicht tun. Also fangen sie an, herumzuturnen, -schreien und -albern, was leider gerne in Streitereien, Verletzungen und Tränen endet. Von daher muss ich erst alle Kinder (und meinen Rucksack) unterbringen, und dann vom Quatschmachen abhalten oder anderweitig beschäftigen.

2. Akt: Morgenappell

Um 7:50 Uhr kommt der school van an der Schule an und ich helfe den Kindern aus dem Van. K. will natürlich nicht ohne weiteres aussteigen, R. rennt in die falsche Richtung – es wird gerade angebaut und die Baustelle soll nicht betreten werden – und die Kinder sammeln sich zum Morgenappell auf dem Schulhof. Dabei singen wir mit ihnen Lieder, Reime und Frage-Antwort-Spiele („'Elephant, elephant?' – 'Yes, yes, yes!' – 'Jump on the bus?' – 'No, no, no!' Why, why, why?' – 'Because I'm too big (Hände weit auseinander halten) and the bus is too small (Hände zusammenklatschen)!')

3. Akt: Unterricht

Ab 8 Uhr beginnt die erste Stunde. Dafür werden die Kinder auf drei Klassen – baby class, middle class und top class – aufgeteilt und von Rose, Leda und Faith in Mathematik, Englisch, Kiswahili, Handwriting oder Sciences unterrichtet. Ich gehe abwechselnd in jede Klasse und gucke, womit ich helfen kann.

Das kann heißen, Hausaufgaben zu korrigieren und neue Aufgaben in die Aufgabenhefte zu schreiben (relativ monoton und stupide, aber man kann sich in eine Ecke setzen und hat seine Ruhe), Plakate zu malen (meine künstlerischen Fähigkeiten wurden ausgereizt, als ich „x as in x-ray“ bildlich darstellen musste) oder mit den Kindern auf dem Hof im Sand schreiben zu üben (sprich: sie vom Sandburgen bauen abzuhalten und versuchen, den Unterschied zwischen b und d klarzumachen, und das bei 30°C Außentemperatur). Und manchmal bin ich in Ermangelung einer Tafel für jeden Klassenraum auch einfach nur Plakatehalterin, wie diese alten Kartenständer, die bei uns immer rumstanden.

Die erste Stunde geht bis um 9:30 Uhr, wenn die zweite Stunde beginnt, die bis 10:30 Uhr dauert. Dann gibt es eine halbe Stunde „porridge break“, in der zuerst an die Kinder ein Frühstück (besagter porridge) ausgehändigt wird. (Den sie auch gerne gleich wieder verschütten. Oder den sie nur akzeptieren, wenn man ihn persönlich füttert.) Danach wird Wasser ausgeschenkt, nur dass die Kinder es schwer finden, sich ohne Drängeln und Schubsen in einer Schlange anzustellen. Immerhin habe ich etwas zu tun, worüber ich heilfroh bin, als S., einer der Bauarbeiter nach meiner Telefonnummer fragt und ich vorgebe, gerade akut mit einem der Kinder schimpfen zu müssen, während ich krampfhaft überlege, wie ich das höflich ablehnen und ihn loswerden kann.

Anschließend essen die Lehrerinnen ihren Porridge und ich habe Teepause. Dann stoße ich wieder zur dritten Stunde hinzu, die von 11 Uhr bis 12:30 Uhr geht. Einige Kinder gehen dann bereits nach Hause, aber natürlich nicht ohne einen weiteren Appell: „Good bye, our teacher, good bye (Hände drei mal zusammenklatschen). We are sorry, we are sorry to leave (können nicht schnell genug davonstürmen).“ Die anderen versammeln sich zum Mittagessen um 13:00 Uhr: Montags Reis mit Bohnen, dienstags Reis mit Bohnen, mittwochs… yep, donnerstags Bohneneintopf, freitags Reis mit Kartoffeln. Ja, ich krieg auch noch was ab. Aber unten aus dem Topf, wo’s leicht angebrannt schmeckt.

Nach dem Essem reiten wir Matten auf dem Fußboden aus und die Kinder halten Mittagsschlaf; na ja, manche schlafen wirklich :), während die Lehrerinnen und ich youtube-Videos gucken den Unterricht für den nächsten Tag vorbereiten. Heißt: Noch mehr Aufgaben schreiben.

4. Akt: Rückweg

Eine Wiederholung des ersten Aktes, nur dass die Kinder im Gegensatz zu mir frisch ausgeschlafen sind und ich keinen Kaffee habe. In Mbande werde ich schließlich in die Freiheit entlassen und muss nur noch weitere 20 Minuten nach Hause gehen. Oder bei der Hitze eher schlurfen. Unterwegs versuche ich, an dem Ladenbesitzer von… keine Ahnung, was er eigentlich macht… vorbeizukommen, ohne dass er mir wieder irgendwas hinterherruft. Als es noch „ninakupenda“ („ich liebe dich“) war, war das… keine Ahnung, aber mittlerweile hat er sich auf „ninakupenda sana“ („ich liebe dich sehr“) gesteigert und es ist… creepy? Besonders weil sein aggressiver Tonfall einem Hollywood-Nazifilm-Blockwart alle Ehre machen würde.

Zum Abschluss noch ein Highlight des Tages: Immerhin ist die Brücke über den Bach wieder repariert und ich muss mich nicht im Weitsprung üben.